Financial Times Deutschland

Datum: 20. Oktober 2006
Fotos: Egmont Strigl

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Fern Weh

Ursprünglich hat Wellness wenig mit den streichelsanften Entspannungshilfen in deutschen Spas zu tun. In ihrer Heimat kommen viele Anwendungen reichlich rabiat daher. Drei schmerzhafte Erfahrungen

Nuad-Massage in Thailand
„Nach einer Paddeltour durch die Mangrovenwälder der Insel Krabi wollte ich mich bei einer traditionellen thailändischen Massage erholen. Zur Begrüssung wäscht man mir erst mal die Füsse, und ich bekomme einen Ingwertee. Dann geht’s los. Die Massage findet bekleidet auf einer Bodenmatte statt. Öl kommt nicht zum Einsatz, denn, wie ich später feststelle, die Masseurin braucht für das, was sie vorhat, rutschfeste Griffsicherheit.

Zunächst zieht die zierliche Dame, die halb so groß und halb so schwer ist wie ich, an meinen Armen und Beinen, an Fingern und Zehen und walkt mich einmal komplett durch. Das ist noch sehr angenehm. Danach wird sie rabiater und verpasst mir unvermittelt Handkantenschläge. Auch noch besser als das, was dann kommt: Mein Körper wird in seltsame, mir bis dahin unbekannte Positionen dirigiert, gepresst, gezerrt. Mal hockt die Masseurin über mir, legt meine Handflächen verdreht auf ihre Oberschenkel und presst ihre Daumen in meinen Nacken. So muss man sich fühlen, wenn man im Polizeigriff abgeführt wird. Dann steht sie zwischen meinen Beinen und zieht mich an den Füssen hoch. Bäuchlings auf der Matte liegend werden meine Unterschenkel so nah wie möglich an den Po, nach rechts und nach links gedrückt. Langsam komme ich bei der passiven Turnstunde richtig ins Schwitzen. Ihr hingegen macht der Versuch, meinen Körper an seine Grenzen zu bringen, sichtlich Spaß.

Irgendwann wird mir klar, dass das ganze Klopfen, Walken und Dehnen nur eine Vorbereitung für ein großes Finale ist. Als ich mich umgedreht habe, sitzt die Masseurin plötzlich hinter mir, die Knie in meinen unteren Rücken gedrückt, und zieht mich nach hinten, sodass ich in der Brücke über ihr hänge. In diesem Moment spüre ich jeden Knochen, jeden Muskel und jede Sehne in meinem Körper. Schmerzen überall. Hätte sie mich bereits am Anfang rücklings über sich geworfen, wahrscheinlich wäre ich einfach durchgebrochen.“
Boris Mandler, PR-Berater

Massage in Ao Nang, ca. 10 € für 90 Minuten

Das sagt der Experte:
„Bei der Nuad-Massage handelt es sich nicht um eine anatomische Behandlung nach westlichem Verständnis. Sie geht davon aus, dass im Körper Energiebahnen verlaufen, auf denen wichtige Akupressurpunkte liegen. Viele Dehnübungen entsprechen den Stellungen aus dem Hatha-Yoga. Über konventionell-wissenschaftliche Wirksamkeitsbeurteilungen ist uns nichts bekannt.“ (Lutz Hertel, Deutscher
Wellness Verband)


Herbal Treatment auf Bali
„Um zum Spa des Maya Ubud Resorts zu kommen, fährt der Gast mit dem Fahrstuhl 30 Meter hinunter in ein Tal. Dort stehen die offenen Behandlungspavillons eingerahmt von Reisterassen. An ihnen vorbei fließt ein Bach, dessen Rauschen das für die Insel typische, eher anstrengende Gamelan-Gebimmel übertönt. Zumindest akustisch scheint die Behandlung eine Entspannung zu sein. Physisch leider nicht, wie sich herausstellt.

Gebucht hatte ich ein Herbal Treatment – also eine Kräuterbehandlung. Das klang nach Duft und Heilkraft. Was genau es sein sollte, verriet die Broschüre des Spas nicht. Ich hoffte auf Bäder und Aromaöl – und ließ mich überraschen. Bäuchlings auf der Massagebank ließ die Masseurin zuerst einmal meinen Rücken und die Schultern knacken. Endlich wird einmal alles zurechtgerückt, dachte ich. Dann holte die Frau zwei orangengroße Säckchen hervor. Was mich wunderte: Sie dampften.

Die ersten vier, fünf Druckstellen an der Wade hinterlassen einen brennenden Schmerz, ähnlich dem beim Epilieren der Beine – nur viel stärker. Die nachlassende Hitze und das anschließende Massieren mit den abgekühlten ,Stempeln‘ war eine Erlösung. Doch dann kamen die nächsten dampfenden Säckchen. Bei der Hitzebehandlung an der Körperseite stiegen mir Tränen in die Augen. Zurück in Deutschland habe ich gelesen, dass früher die Muskeln der heimkehrenden Soldaten mit dem Herbal Treatment, auch Pantai Luar genannt, behandelt wurden. Vielleicht waren diese Kämpfernaturen einfach härter im Nehmen.“
Sandra Winkler, Journalistin

Maya Ubud Resort & Spa in Ubud, 60 Minuten für ca. 40 €, www.mayaubud.com

Das sagt der Experte:
„Verbrennungen kann man sich bei der Behandlung nicht zuziehen. Die Wärme tut gut – sie kurbelt den Hautstoffwechsel und die Durchblutung an, entfaltet aber auch weitere reflektorische Wirkungen.“ (Bernhard Uehleke, Arzt für Naturheilkunde an der Charité – Hochschulmedizin Berlin)


Ayurveda in Sri Lanka
„Viele Menschen glauben, sie würden bereits Ayurveda machen, nur weil ihnen jemand ein wenig warmes Öl auf die Stirn tröpfeln lässt. Ich war besser vorbereitet, als ich für mich und meine Freundin eine dreiwöchige Kur auf Sri Lanka buchte. Ich wusste bereits: Ayurveda, das ist keine Spaßveranstaltung. Und neben Stirnölgüssen und Synchronmassagen geht es dabei vor allem um Ernährung.

Ein paar Dinge haben mich trotzdem überrascht. So bekamen wir zum Beispiel morgens um fünf Uhr einen braunen, undefinierbaren Trunk vorgesetzt, der nicht nur abstoßend schmeckte, sondern auch noch widerlich roch und nur mit zugehaltener Nase hinunterzuwürgen war. Immerhin: Wer sich davon übergeben musste, der bekam am nächsten Tag eine andere Rezeptur vorgesetzt. Außerdem wurde uns gleich am Anfang reichlich Öl in die Haare gerieben, das wir sieben Tage lang nicht auswaschen durften. Gewöhnungsbedürftig.

Die erste Woche war besonders hart: Zu Essen gab es ausschließlich wässrige Reissuppe, morgens, mittags und abends. Viele Teilnehmer haben schwer Hunger gelitten. Aber immerhin die Erkenntnis erlangt, dass die Verdauung nicht unwichtig ist. Zuletzt kam dann noch das Abführen, von dem ich zum Glück bereits aus einem Artikel wusste. Allerdings hatte ich nicht mit Klistier und Darmspülungen gerechnet. Als Romantikurlaub ist eine Ayurveda Kur also denkbar ungeeignet. Zumal neben Alkohol und Sport auch Sex ein absolutes Tabu ist.“
Jan Lerch, Moderator beim Radiosender „Motor FM“

Ayurveda Kurzentrum Greystones-Villa in Diyatalawa, 2200 € für 21 Tage (ohne Flug), www.greystonesvilla.de


Das sagt der Experte: „Ayurveda gilt als ältestes Heilsystem der Menschheit und ist erstrangig als ein präventives medizinisches System zu verstehen. Leider wird oftmals sachlich falsch und romantisierend über Ayurveda in den Medien berichtet.“ (Iris Hüttner, Deutscher Wellness Verband)